in Eisenach als Sohn des Theatermusikers Günter Fingerhut und der Töpfermeisterin Maria Fingerhut geboren
Besuch der 7. POS Eisenach
Lehre als Kunst- und Bauschlosser in der Schlosserei Claus-Peter Senf in Eisenach und Schlagzeugunterricht in der Musikschule Eisenach
Schlagzeuger im Staatlichen Sinfonie Orchester Saalfeld
Studium an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar im Fach Schlagwerk/Pauken bei Hans-Joachim Naumann
Schlagzeuglehrer an der Musikschule „Johann Sebastian Bach“, Eisenach und freischaffender Musiker
erster aktiver Kontakt mit der Malerei und erstes Bild
Seither entstanden 27 Bilder und ein Altar.
von Dr. Juliane Stückrad, Kulturwissenschaftlerin
1969 wird Jo Fingerhut in Eisenach geboren. Kunst spielt in seiner Familie eine wesentliche Rolle. Seine Mutter ist gelernte Töpferin und der Vater Musiker, der zudem an einem umfassenden malerischen Werk arbeitet. Nach dem Schulabschluss lernt Jo Fingerhut den Beruf des Kunst- und Bauschlossers. Parallel dazu erhält er Schlagzeugunterricht an der Eisenacher Musikschule, der so erfolgreich verläuft, dass er 1989 ein Engagement im Staatlichen Sinfonieorchester Saalfeld übernimmt. Ab 1991 baut Jo Fingerhut sein bestehendes Wissen durch ein Studium im Fach Schlagwerk/Pauken an der Musikhochschule „Franz Liszt“ in Weimar aus. Als Schlagzeuglehrer arbeitet er seit 1995 an der Musikschule „Johann Sebastian Bach“ in Eisenach. Darüber hinaus ist er als freischaffender Musiker tätig. Über Jahre spielt er in der Band „Geile Götter“, der die Eisenacher Handballer vom ThSV ihre Hymne verdanken und der Eisenacher Sommergewinn sein „Gickelhahn-Lied“.
Seit 2014 nimmt die Malerei eine zunehmend wichtige Stellung in seinem künstlerischen Schaffen ein. Jo Fingerhut weiß schon lange, dass er malen will. Doch die berufliche Konzentration auf die Musik steht der bildenden Kunst vorerst im Wege. In einer Phase ausgeprägter Selbstreflexion greift er endlich zum Pinsel und beginnt sein schöpferisches Werk mit dem Selbstporträt „Jo in Farbe“. Er legt großen Wert darauf, dass die Malerei nicht als Ausgleich zum Berufsleben oder gar als Akt der Entspannung begriffen wird, sondern eine eigenständige, für ihn wesentliche Tätigkeit darstellt. Er malt aus Freude an einer Realität, die er in sich entdeckt. Vor seinem inneren Auge bewegen sich die Bilder, die so auch auf einer Bühne dargestellt werden könnten.
Parallelen zwischen der malerischen und der musikalischen Arbeit ergeben sich aus seiner Freude am Entwickeln skurriler Szenen. Einst hielt er in sogenannten „Spinnbüchern“ originelle Situationen und Einfälle fest, um sie später gemeinsam mit seinem Bruder Matthias und den anderen Bandmitgliedern in Liedtexten und im Bühnenprogramm der „Geilen Götter“ zu verarbeiten. Die Malerei bietet ihm nun weitere Entfaltungsmöglichkeiten für seine Leidenschaft am „Herumspinnen“. Davon zeugen Details in den Bildern wie eine Schlange mit Kastagnetten im Bild „Moses Müller empfängt das neue Gebot“ oder die ordentlich zusammengestellten Müllsäcke im Bild „Der Eiskimo“.
Ganze Kompositionen erzählen von der „Kunst des Spinnens“ wie das Bild „Hindengurk“ lebhaft vorführt. Der Titel stammt von einer zeppelinförmigen Gurke, die über einer Szenerie aus Lebensmitteln und Tieren schwebt. Dieses Werk gibt dem Betrachter mindestens so viele Rätsel auf, wie das Bild „Schlafende Schnecke mit Kopfhörern“. Ruht sich die lächelnde Schnecke auf dem Mond, den sie über eine Leiter erreichte, vom Skaten auf einer Eisscholle aus? Und warum klingelt 9.00 Uhr der Wecker, dessen Schellen wie Brüste aussehen? Der Untergang der Titanic im Hintergrund scheint sie nicht zu tangieren. Irgendwie schwingt ein Gefühl von Bedrückung bei aller Fröhlichkeit am lockeren Phantasieren mit.
Dem Schöpfungsprozess gibt sich Jo Fingerhut mit großer Genauigkeit und Intensität hin. Acrylfarbe, Leinwand, Folien und Schlagmetall erweisen sich als die passenden Materialien zur Umsetzung seiner Vorstellungen.
Ein Teil der Gemälde wie das Selbstporträt „Jo in Farbe“ oder das Bild „Kleiner Mann“ entsteht durch den dynamischen Auftrag der Farbe.
Diese Bilder gehören zum Frühwerk und erzählen von der starken bildnerischen Kraft, die schon lange im Künstler nach ihrem Ausdruck verlangte. Spätere Bilder zeigen detailfreudige Szenen vor großen Farbflächen. Unbefangen entwickelt der Künstler Figuren und Dinge in einer stilistischen Mischung aus Kinderbuchillustration, Comic und Karikatur. Die Oberflächengestaltung orientiert sich bei einigen Arbeiten an der natürlichen Textur und wird durch wiederholtes Auftropfen der Farbe im Wechsel mit dem Anschleifen der Farbschichten erreicht. Die sorgfältige Auswahl des passenden Rahmens schließt dann die Arbeit an einem Werk ab.
Jo Fingerhuts Kunst zeugt vom großen Talent zum freien Assoziieren. So lassen ihn drei nebeneinanderstehende Windräder an Golgatha denken und geben den Anlass zum Malen des „Eisenacher Altars“. Der Mückenstich wird zum Mücken-Tattoo und liefert die Idee zum Bild „Bee Tattoo“. Ein „Kindheitsschatz“ ist die rote Tasse mit dem altmodischen Mondgesicht, aus der er bei seiner Oma immer trinken durfte. Das wohlige Gefühl, das ihn dabei überkam, blieb in seinen Erinnerungen erhalten und findet im fröhlichen Raucher am Lagerfeuer die erwachsen gewordene Personifizierung. Im Bild trägt die Tasse Turnschuhe, damit sie sich besser auf dem Baum halten kann. „Der Seiltänzer“, ein eigenartig verwachsenes Figürchen mit Igelborsten und dicker Brille, wirkt bei seinem Balanceakt vor gekacheltem Hintergrund trotz der kuriosen Gestalt schwermütig und irgendwie verloren. „Der Bademeister auf dem Mond“ ist ein cooler Typ. Die USA-Fahne, die er hisst, trägt statt der Sterne Spermien. Doch was nützt ihm seine Potenz so fernab der Erde, die hinter ihm aufgeht?
Jos Bilder sind charmant, bunt und ein wenig verrückt. Sie regen
zum Nachdenken an und zaubern dem Betrachter ein Schmunzeln ins Gesicht. Ich selbst habe ein Bild in meiner Praxis hängen und erfreue mich jeden Tag daran.
Stefanie Stahl, Psychologin / Bestsellerautorin
Viele Figuren haben reale Vorbilder. Doch das merkt Jo Fingerhut meistens erst, wenn die Gemälde fertig sind. Es sind Freunde, Bekannte oder einfach nur „Typen aus dem Stadtbild“. „Der Fisch Mo“ lacht mit seiner markanten Zahnspange. Ein guter Freund schläft im „Eisenacher Altar“ seinen Rausch vor dem Start der Himmelfahrtsrakete aus. Mary-Kristin lacht erfrischend offen bei ihrem nächtlichen Bad im kleinen Teich und verwandelt sich dabei in Sternentaler. Eine Freundin aus Jugendtagen tanzt um die lila Kuh, während „Moses Müller“ das neue Gebot empfängt, der die Züge des Künstlers trägt. Der gemalte Jo Fingerhut steht im direkten Kontakt zu Gott.
Bei der Komposition der Bilder legt Jo Fingerhut Wert auf „Stimmigkeit“ der dargestellten Szenen.
Vorfreudig schielt das blaue Schwein in der Wüste zum Bierkasten. Ein Grabstein auf dem Bild „Letzter Halt Saturn“ trägt die Aufschrift Opa, damit die auf den Bus wartende Oma einen Grund hat, mit der Gießkanne zum Friedhof zu fahren. Der Bus dreht seine Runden auf dem Saturnring, der als Straße ausgebaut ist. Doch folgt er nicht noch einer anderen Route, von der der Betrachter nichts weiß , weil sie hinter dem Planeten verläuft? Die Waschmaschine im Bild „Buntwäsche“ braucht Strom und der kommt aus einer Steckdose, die in diesem Fall eine Schweineschnauze ist. Detailgenauigkeit zeigt die Konstruktion des Krans, der beim „Frühjahrsputz“ zum Einsatz kommt.
Die sorgfältig gemalten Mikrofonkabel beim „Schottischen Hodensackspieler“ oder die korrekten Boxenanschlüsse im Diptychon „Moses Müller und das neue Gebot“ zeugen vom Berufswissen des vielseitigen Musikers.
Die Symbolik aus profanen Dingen und sakraler Bildsprache verschmilzt in den Gemälden zu einem verspielten Erzählraum. Religiöse Themen werden auf diese Weise humorig bis provokant neu inszeniert. Die „Punkikonin“ hält liebevoll ihr Kind. Nicht die traditionellen Marterwerkzeuge, die auf die kommende Passion Christi verweisen, tragen die begleitenden Engel, sondern ein Babyphon und eine Babyflasche. Der Kult widmet sich ganz der diesseitigen Mütterlichkeit, die nur scheinbar im Kontrast zum Outfit der Punkerin steht. Denn die von ihr symbolisierte widerständige Haltung gegenüber geltender Normen bezieht den zärtlichen Umgang mit dem Kind ein. Das Bild huldigt dem Gegenentwurf zu einer kalten, beziehungslosen und konventionellen Welt. Die „Klo-Ikone“ erzählt von der Heiligkeit des Alltäglichen. Auch hier findet sich das Motiv von Mutter und Kind. Die Toilette blickt lächelnd zum Töpfchen. Die Erziehung zur Hygiene kann in der Tat kultische Züge annehmen. Das Bild malte Jo Fingerhut für das Klo, ein Ort des entspannten Schauens, der so zu etwas Außeralltäglichem erhoben wird.
„Moses Müller“ erhält ein einziges Gebot als Postkarte, auf der die Friedensvision in einfachen, aber ergreifenden Worten steht: „Ihr sollt euch vertragen!“ Vielleicht steht er auf dem Sinai, aber den Hintergrund bildet das ungleich beeindruckendere Panorama des Mount Everest, über dem Gottes Auge schwebt. Der „Eisenacher Altar“ bietet Erstaunliches: Christus schlüpft aus einem Überraschungsei. Das dritte Kreuz kann für drei Tage gemietet werden. Später winkt Jesus fröhlich beim Betreten der Rakete, mit der er in den Himmel auffährt, während eine lustige Männertags-Gesellschaft Abschied nimmt. Das Triptychon gehört zu einer Installation, die eine gesamte Altarsituation darstellt. Es steht als Retabel auf einem Altartisch mit Leuchtern und einer Buchstütze, auf der ein Comic liegt. Das Antependium mit den Initialen J.F. zeigt einen Fisch, der Pfeife raucht. Der Künstler erhebt sich zum Heiland über seine eigene Schöpfung. Den Altar sichern Messing-Poller und eine Kordel, die ihn als Ausstellungsobjekt und heiligen Gegenstand vom gewöhnlichen Raum abgrenzen.
„Wir haben Zeit“ lautet der Titel eines Bildes, auf dem ein Küken im Traktor eine Kirche und ein Metronom den Berg hinaufzieht. Jedes Element auf dem Bild hat seine Zeit. Das Küken muss sich der Zeit der Natur unterordnen und ist dem Ei noch nicht ganz entschlüpft. Die Kirche gibt den Rhythmus aus Wochen-, Sonn- und Feiertagen vor. Das Metronom steht für den künstlichen Rhythmus, der Musik erst möglich macht. Die Glühbirne verwischt den Rhythmus von Tag und Nacht bis ihre Brennzeit abgelaufen ist. Die Zeiten der Natur, der Religion, der Kunst und der Technik müssen im Leben immer wieder neu aufeinander abgestimmt werden. Dem Gemälde gelingt dies mit Ruhe und Entspanntheit.
„Kinderwunsch“ ist der Titel eines symbolisch komplexen Bildes. Ein Kampfjet-Storch trägt seine böse Brut in Form einer Bombe im Schnabel und steuert eine kleine Stadt aus Sand mit islamisch-christlichem Gotteshaus an. An einem Fenster schwenkt ein Verzweifelter die weiße Fahne.
Am Rand der Stadt sitzt ein „holder Knabe im lockigen Haar“ mit Windeln auf einem Bobby-Car. Das Kind verschießt mit seiner Pistole eine Salve Herzchen in Richtung des Bombenträgers, um ihn davon abzuhalten, seine selbst gebaute kleine Stadt noch weiter zu zerstören. Das Kind wünscht sich, ungestört spielen zu können. Aber wessen Kinderwunsch erfüllt der Storch? Krieg wird zum bitteren Sandkastenvergnügen. Und malerisch liegt im Hintergrund ein Atomkraftwerk. Das Bild erzählt vom Lebensgefühl zwischen kindlicher Idylle und barbarischer Bedrohung. Bestehen bleibt die Hoffnung, dass nur Liebe das Schlimmste verhindern kann. Da diese hier aber mit einer Handfeuerwaffe in die Welt geschossen wird, kann sich der Betrachter nicht wirklich in pazifistischen Träumereien verlieren.
Eine Reihe von Bildern wirkt wie geschaffen für eine Kinderzimmeridylle: „Rita“, das cocktailschlürfende Bananen-Apfelsinen-Tier, das „Clownshaus“ mit der zaubernden Fledermaus, der „Eiskimo“, der im Eisbecher wohnt über dem die sonnenbebrillte Sonne lacht. Die Figuren lächeln in ihrer bunten, extra für sie geschaffenen Kinderwelt.
Gelächelt wird auch auf allen anderen Bildern und selbst im Bild „LSD“ wandelt sich der traurige Tropfen aus der Pipette beim Fall auf das Zuckerstück in ein fröhliches Clownsgesicht.
Das Lächeln auf den Bildern Jo Fingerhuts ist kein oberflächliches, denn dahinter verbirgt sich das Wissen um Höhen und Tiefen eines Lebensweges. Die vieldeutigen Werke erzählen von der Sehnsucht nach einer Leichtigkeit des Seins, die das Leben erträglich macht. Es scheint, als lache das Personal der Gemälde über die eigene sonderbare Schöpfung.
Dr. Juliane Stückrad,
Kulturwissenschaftlerin
In Schabernack getauchte Weisheit – so möchte ich es zusammenfassen. Die
innewohnenden Geschichten, Botschaften und Gefühle sind sein amüsant-geistreicher Ausdruck der Auseinandersetzung mit so mancher Frage des Lebens. Auf seine ureigenste Weise lädt Jo zu einer
Detailwanderung zwischen Spinnerei und Intelligenz ein, die auf jeden Fall polarisiert. Für mich sind die Werke ein Schlüssel zur Phantasie im ersten Schritt und zur eigenen Sinnsuche im
Zweiten.
Andreas Eck, Freund, Grafiker und Erkenntniswanderer